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Schuldgefühle und wie wir sie verhindern können

Aktualisiert: 12. Aug.

Im ersten Blog-Beitrag habe ich bereits erwähnt, dass uns Menschen manchmal Schuldgefühle plagen. Weshalb schreibe ich einen ganzen Blog-Beitrag darüber? Weil ich denke, dass diese Schuldgefühle wohl bei vielen einen grösseren Stellenwert einnehmen, als uns im ersten Augenblick bewusst ist. Gerade wenn ein Hund von uns gegangen ist, man mitten in der Trauer gefangen ist, kommen ganz viele unterschiedliche Gefühle zum Vorschein.





Zuerst müssen wir wissen, was Schuldgefühle überhaupt sind… Der Begriff wird wie folgt beschrieben: «…negative internale moralische Emotion, die beim Verletzen von Normen oder moralischen Pflichten entsteht oder wenn sozial unerwünschte Handlungen begangen werden.»


Dies zu beurteilen ist jedoch nicht so einfach, da es keine pauschale Antwort darauf gibt, was denn überhaupt als sozial unerwünschte Handlungen gilt. Ich persönlich würde die Frage umformulieren: Habe ich das Gefühl oder den Eindruck, meinen eigenen Werten oder moralischen Ansprüchen oder meinen Erwartungen nicht gerecht geworden zu sein? Egal, wie lange man an dieser Frage hin und her überlegt; Schuldgefühle sind (vorerst) da oder eben nicht. Was aber feststeht, wenn man versucht, diese Frage zu klären, ist, dass es nur um MICH geht. Um MEINE Wahrnehmung. Um meine Realität, die so individuell ist, wie jeder Mensch.


Der Grund, die «Grenze», auch die Gedanken bei Schuldgefühlen, oder wie sich die Gefühle an sich äussern, ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Es gibt kein Richtig oder Falsch.

Dabei sind Schuldgefühle nicht grundsätzlich schlecht. Ja sie sind eigentlich sogar notwendig und wichtig. Denn sie zeigen uns unseren moralischen Kompass. Hätten wir keine Schuldgefühle oder kein moralisches Gewissen, würde uns jegliche Empathie und Menschlichkeit fehlen.


Aber was bedeutet das nun für mich als Mensch, der mit einem Hund zusammenlebt? Wenn du schon mal ein Tier gehen lassen musstest, kennst du vielleicht Gedanken wie «hätte ich doch nur mehr Zeit mit ihm verbracht», «hätte ich ihn doch nur früher erlöst (oder noch nicht)», «hätte ich doch nur noch das und jenes versucht», oder auch «wäre ich doch nur dabei gewesen, als er gegangen ist» etc.  Ja vielleicht – vielleicht fühlst du dich sogar so, als hättest du deinen Hund getötet, als du ihn erlöst hast. Ob all diese Schuldgefühle schlussendlich gerechtfertigt sind oder nicht – spielt für dich in diesem Moment keine Rolle, denn der Schmerz ist da. Die Gefühle sind da. Die Gedanken sind da.

Manchmal ist auch der Gedanke im Voraus, seinen Begleiter zu verlieren, schlimmer, als es dann in Wirklichkeit ist. Auch das kann komische Gefühle auslösen.


Für irgendwas werden all diese Gefühle wohl auch auf irgendeine Art und Weise «gut» sein. Allerdings bringen sie dir deinen Hund nicht zurück. Und es geht dir dadurch nur noch schlechter.

Was kannst du nun stattdessen tun? Als erstes, werde dir deiner Gefühle bewusst, versuche sie nicht zu verdrängen oder zu verhindern. Akzeptiere, dass sie da sind. Versuche zu definieren, was genau dir diese Schuldgefühle vermittelt. Oft kann man bei Schuldgefühlen mit der betroffenen Person sprechen und sich entschuldigen, wenn man einen Fehler gemacht hat. Bei einem verstorbenen Hund geht das nicht. Vielleicht findest du aber ein Ritual, bei dem du trotzdem mit deinem Hund «sprechen» kannst; vielleicht hilft es dir, einen Ort zu schaffen, an dem du deinem Hund alles erzählen kannst, oder ihm einen Brief zu schreiben, den du dann verbrennst. Meist tut es schon einfach nur gut, alle Gedanken im Kopf loszuwerden, auf welche Art auch immer du das machen möchtest.


Ebenfalls kann es helfen, zu versuchen, dich aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Was würde deine beste Freundin oder bester Freund dir sagen, wenn du ihr/ihm deine Gedanken erzählst? Was würde dein Hund dir sagen, wenn du ihm deine Gedanken erzählst? Ist es wirklich nötig, so streng mit dir selbst ins Gericht zu gehen? Auch hier, kannst du alles aufschreiben, wenn es dir guttut. Ich bin mir ganz sicher, dass du zu jedem Zeitpunkt nur das Beste für deinen Hund wolltest und immer nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt hast. Ob wir vielleicht im Nachhinein anders entschieden hätten, ist immer einfacher zu beurteilen, als es im jeweiligen Moment ist, da uns schlichtweg im Voraus die Erfahrungswerte fehlen. Versuche auch hier zu akzeptieren, dass du die Vergangenheit nicht ändern kannst. Versuche dich an die schönen Dinge mit deinem Hund zu erinnern.


Und sei geduldig mit dir selbst. Verzeih dir, schliesse Frieden mit dir… dein Hund hat es schon längst getan.

Ich bin der festen Überzeugung, dass alles so geschieht, wie es sein muss. Alles hat einen Grund. Eine Seele geht, wenn sie gehen muss.


Bei meinem Hund Dennis, musste ich die wohl für mich schwerste Entscheidung treffen in meinem bisherigen Leben. Vier Monate lang hat er gegen den Krebs gekämpft. Er hatte aber eine so starke Lebensfreude. Er hat sich nach jedem Rückschlag wieder aufgerafft, hat mir nie zu verstehen gegeben, dass er nicht mehr möchte. Was aber nicht bedeutet, dass ich mich nicht trotzdem oft gefragt habe, ob es für ihn nicht doch das Beste wäre, ihn gehen zu lassen – ich hatte enorme Angst davor, diese Entscheidung zu treffen, da mir niemand sagen konnte, wann der richtige Zeitpunkt ist. Natürlich will man sein Tier nicht leiden sehen, aber ich denke, dass es durchaus auch ein «zu früh» geben kann, genau so wie es auch umgekehrt möglich ist. Für mich war immer die zentrale Frage, ob die Lebensqualität, Dennis Freude – noch da ist.


Als es soweit war, war es plötzlich klar und meine Intuition war eindeutig. Ich bin auch heute noch davon überzeugt, dass es der richtige Zeitpunkt war. Früher hätte sich falsch angefühlt. Später auch.


Nach vier Monaten Kampf und vielen Auf und Ab’s, wollte Dennis eines Tages am Morgen nicht mehr aufstehen. Er lag neben mir am Boden, hat mich mit seinen treuen Augen angeschaut, die Lebensfreude, die ich zuvor trotz Krankheit und bestimmt auch Schmerzen immer gesehen habe, war weg. Ich habe einen Termin beim Tierarzt vereinbart, für eine Blutkontrolle. Doch bereits beim Anruf hatte ich gespürt, dass wir nach diesem Tierarztbesuch nicht mehr gemeinsam nach Hause gehen werden. Ich habe meinen Partner angerufen, dass er früher von der Arbeit kommen kann, um uns zu begleiten. Es war mir wichtig, dass wir beide dabei sein konnten. Für uns, aber vor allem auch für Dennis. Wir haben Dennis versprochen, dass wir bei ihm sind – bis zum Schluss.


Ich habe Dennis nochmals alles gesagt, was ich ihm sagen wollte. Dass ich ihn liebe, unendlich dankbar und stolz auf ihn bin, wusste er zwar sowieso. Das habe ich ihm auch an gesunden Tagen regelmässig gesagt. Für mich sind diese Dinge wichtig, genauso wie das respektvolle Zusammenleben auf Augenhöhe, dass ich die Momente mit ihm bewusst geniesse, dass ich bei allem auf mein Gefühl höre und immer versuche im Sinne des Hundes zu entscheiden, und dass ich ihn bis zu seinem letzten Tag begleiten und für ihn da sein kann. Das sind diese Dinge, die für mich persönlich wichtig und entscheidend sind, um mir am Schluss keine Vorwürfe machen zu müssen.


Schuldgefühle helfen uns nicht, die Vergangenheit zu ändern. Wobei sie uns jedoch helfen können, ist die Zukunft. Vielleicht kannst auch du dir überlegen, welche Punkte dir wichtig sind – um dich beim nächsten Hund nicht mehr mit Schuldgefühlen plagen zu müssen - um ihnen im Voraus gar keine Chance zu geben. Sie loszuwerden ist nämlich schwieriger, als sie gar nicht erst entstehen zu lassen..


Dazu darfst du gerne die Frage vom Anfang nehmen und für dich beantworten; was sind deine Werte, deine moralischen Ansprüche und deine Erwartungen? Und vielleicht - ganz vielleicht, wird dir dabei sogar bewusst, dass es gar nichts gibt, was du nächstes Mal anders machen könntest.


Ich wünsche dir von Herzen alles Gute.

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